Postkapitalismus

„Offener oder autonomer Marxismus" – „Mit Marx über Marx hinaus" – Zum Kommunismus 2.0?

Varianten des ‚Postkapitalismus’ – Literaturbericht, Teil II

von Werner Goldschmidt
Dezember 2016

„Offener oder autonomer Marxismus“[1] – „Mit Marx über Marx hinaus“[2] – Zum Kommunismus 2.0?[3]

Varianten des ‚Postkapitalismus’ – Literaturbericht, Teil II[4]

„Indes ist das nun einmal der Gang der Weltgeschichte,
und man muss sie nehmen, wie sie ist.“
Marx an Kugelmann, 28. Dez. 1862, MEW 30, 641.

Unter „Offenem Marxismus“ (weniger missverständlich die engl. Bezeichnung „Open Marxism“)[5] werden zeitgenössische philosophische und/oder sozial- bzw. ökonomiekritische Positionen zusammengefasst, die sich vor allem auf Marx beziehen, sich zugleich aber auch offen gegenüber Einflüssen von für verwandt oder relevant gehaltenen Denkrichtungen (wie etwa die der Frankfurter Schule, aber auch von Foucault, Heidegger u.a.) zeigen, und zwar in dem Sinne, dass sie diese nicht einfach als „bürgerlich“ abtun oder bekämpfen, sondern deren „relatives“ (theoretisches oder empirisches) Eigenrecht anerkennen und insoweit in einen „modernen“, „offenen“ Marxismus zu integrieren suchen. Gegenüber einem so überwiegend theoretisch, teilweise auch als „akademisch“ (im Sinne von wertneutral und/oder weltfremd, im Elfenbeinturm usw.) verstandenen und zumeist auch kritisierten „offenen Marxismus“ unterscheiden sich die „autonomen“ Marxisten vor allem durch ihre auf Praxis, praktisch-emanzipatorische Bewegungen konzentrierte Orientierung. Tatsächlich aber sind beide Richtungen nicht nur aufeinander bezogen, sondern überschneiden sich derart, so dass einzelne, z.T. auch prominente Protagonisten (wie etwa Holloway, Hardt/Negri u.a., für Deutschland exemplarisch etwa Robert Kurz oder Karl Heinz Roth) beiden Richtungen zugerechnet werden können. Die Meisten der zuletzt genannten verstehen sich freilich – im Unterschied zu den zuvor genannten – in erster Linie als aktive (Klassen)Kämpfer („Aktivisten“[6]) und erst nachrangig als theoretische Kritiker des Kapitalismus.[7]

II „Das Kapital lesen bis der Kommunismus kommt“?

In die durch die internationale Diskussion vorgegebene us-amerikanische oder angelsächsische Nomenklatur fallen daher auch die meisten der hierzulande unter dem Label Hegel-, Frankfurter Schule- oder akademische Marxisten ‘eingeordneten’ Autoren unter die Kategorie des „offenen Marxismus“, darunter vor allem die durch ihre – mehr oder minder stark divergierenden – Kapital-Interpretationen auch international bekannten Autoren wie H. Reichelt, H. G. Backhaus, M. Heinrich, W. F. Haug und die durch sie beeinflussten Kapital-Lektürekreise, die mit dem Ausbruch der jüngsten Finanz- und Weltwirtschaftskrise neuen Auftrieb erfuhren.[8] Obwohl die Berührungspunkte zwischen diesen Autoren (und ihren ‘Kreisen’) mit den „autonomen Marxisten“ gerade in Deutschland nicht besonders eng sind, so haben ihre Interpretationen dennoch einen gewissen Einfluss auf das – nicht selten allerdings fragwürdige – Marx-Verständnis der „Autonomen“. Dabei geht nämlich – wie sich etwa bei Robert Kurz, aber auch bei anderen zeigt – das z.T. subtile begriffliche Instrumentarium und die theoretische Strenge der Argumentation dieser ‘Theoretiker’ vielfach verloren und wird durch diffuse Schlagworte wie „Wertkritik“, „Abschaffung der Arbeit“ u.ä. ersetzt.[9]

Von Seiten autonomer Gruppen in Deutschland[10] wird gegen die Theoretiker der Kapital-Interpretation bisweilen der Vorwurf der „Marxologie“, des „Zirkulationsmarxismus“[11] u.ä., in jedem Fall aber der Praxisferne („Marx ohne Klassenkampf“[12]) erhoben. So war ein – inhaltlich durchaus sympathisierender – Bericht der „autonomen“ Zeitschrift Jungle World über die wechselnden Konjunkturen der Kapital-Lesekreise in Deutschland mit dem ironischen Titel „Lesen bis der Kommunismus kommt“ überschrieben.[13] Dabei hat eine wissenschaftlich strenge Untersuchung des Begriffs der Arbeit, der Ware und des Geldes und der in ihnen enthaltenen Widersprüche für die uns hier interessierende Problematik des Übergangs zu einer kommunistischen Gesellschaftsformation grundlegende praktische Bedeutung.[14]

Andererseits fällt aber auf, dass die im historischen Sinne eminent praktische Bedeutung der Wertformanalyse[15] auch von den meisten ihrer wissenschaftlich ernst zu nehmenden Autoren als im wahrsten Sinne umwälzende Dimension ihrer Untersuchungen selbst kaum wahrgenommen oder jedenfalls nicht näher thematisiert worden ist.[16] So potentiell bedeutsam die Ergebnisse dieser Untersuchungen auch gewesen sein mögen, so fällt doch auf, dass insbesondere im Rahmen dieses speziell deutschen Phänomens der ‘Kapitallektüre’[17] eine ganz Reihe nicht minder bedeutsamer Probleme der marxschen und/oder marxistischen Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus, anders als auf internationaler Ebene, dabei gar nicht oder nur am Rande thematisiert worden sind. Darunter vor allem die Krisentheorie, die Rolle der Produktivkraftentwicklung und der Arbeit, das Verhältnis von Konkurrenz und Monopolisierung, die Rolle des Staates, der Internationalisierung und des Weltmarkts (Globalisierung) usw. Probleme, alles Probleme die Marx ursprünglich bearbeiten wollte[18], die im Kapital dann zwar angesprochen, aber im Detail nicht ausgearbeitet worden sind. Deshalb haben einige nicht ganz zu Unrecht davon gesprochen, dass es sich bei der veröffentlichten Version des Kapital lediglich um einen „Torso“ dessen handeln würde, was Marx eigentlich leisten wollte. Marx selbst war der – offenbar irrigen – Meinung, dass sich diese Probleme auf der Basis der von ihm veröffentlichten Grundlagen von anderen weiter zu bearbeiten und „leicht auszuführen“ seien.[19]

Dies ist der Anknüpfungspunkt mit dem wir im Folgenden exemplarisch auf „autonome“ Positionen eingehen wollen, die sich, wie erstmals Antonio Negri, ausdrücklich zum Ziel gesetzt hatten, nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch „mit Marx über Marx hinaus“ zu gehen.[20]

III Antonio Negri – Das autonome Subjekt und seine Revolution – Von der Arbeiterklasse zur Multitude – Vom Empire zum Common Wealth

Antonio Negri ist – spätestens seit dem mit Michael Hardt gemeinsam verfassten Bestseller „Empire. Die neue Weltordnung“ (2000, dt. 2002) – zweifelsfrei der weltweit bekannteste Vertreter eines „autonomen Marxismus“. Dabei wird aber selbst unter „Autonomen“ darüber gestritten, inwiefern zumindest der ‘späte’ Negri überhaupt noch als Marxist oder vielleicht nicht doch eher als ‘Postmarxist’ zu bezeichnen wäre.[21] Der ‘frühe’ Negri (Jg. 1931) galt jedenfalls seit den 1960er Jahren bis etwa Anfang der 1980er Jahre weitgehend unbestritten als Vertreter eines „autonomen“, d.h. vor allem eines parteiunabhängigen Marxismus. Gemeinsam mit Mario Tronti, Raniero Panzieri u. a. begleitete er als „teilnehmender Beobachter“ (Aktivist und Theoretiker) die damaligen Kämpfe der Arbeiter vor allem in den norditalienischen Industriestädten, mit ihrem Höhepunkt im „heißen Herbst“ 1969, und dessen Nachwirkungen bis in die 1970er Jahre hinein.[22] In dieser Blütezeit linker und linksradikaler Arbeiter- und Studentenbewegungen erwiesen sich die Aktionen und Analysen dieser „Operaisten“[23], wie sie später, in Anlehnung an den Namen einer ihrer wichtigsten Zeitschriften, genannt wurden, als Vorbild für ähnliche Gruppierungen auch in anderen Ländern Westeuropas und in den USA. Als charakteristisch für den damaligen Operaismus galt die eigentümliche Verbindung von phantasievollem Aktionismus – der weit über die Kampfmittel, -formen und Zielsetzungen der traditionellen Arbeiterorganisationen hinausreichte – mit originären und/oder unmittelbar an Marx anknüpfenden, empirischen und theoretischen, sog. „militanten Untersuchungen“ zur Lage und zur Zusammensetzung der Arbeiterklasse wie zu den aktuellen Formen kapitalistischer Ausbeutung in „Fabrik und Gesellschaft“[24], um als „Methode politischer Intervention“ entsprechende Gegenstrategien zu entwickeln.[25] Die Originalität des operaistischen Forschungsansatzes bestand in der aus Marx’ Kapital abgeleiteten Hypothese[26], wonach die Akkumulation des Kapitals und, darin enthalten, die kapitalistische Entwicklung der Produktivkräfte (bis hin zur Organisation der Arbeit in der Fabrik) auch und vor allem als Ergebnis des Klassenkampfes zu begreifen sei. Die strategisch bewusste Ausweitung des Begriffs der Arbeiterklasse vom „Massenarbeiter“ (in der Industrie, am Fließband) zum „gesellschaftlichen Arbeiter“, der alle an Streiks, Demonstrationen u. a. Aktionsformen teilnehmenden LohnarbeiterInnen (einschl. Hausfrauen) umfasst, geht auf Negri zurück.[27]

Die ursprünglich von Tronti und Panzieri entwickelte Methode der Verbindung von Kapitallektüre, empirischer (Arbeiter)Untersuchung[28] und praktisch-politischer Strategieentwicklung stand in diametralen Gegensatz zu der seit etwa Mitte der 1960er Jahre beginnenden „theorizistischen“[29] Kapital-Lektüre in Frankreich, die während der französischen Mai-Bewegung (1968) und danach nie eine Rolle spielte wie in Italien und – ganz anders gelagert – in (West)Deutschland. Althusser hatte seine „Selbstkritik“ in den 1970er Jahren dann auch mit dem Aufruf abgeschlossen: „Wie Mao sagt: Niemals den Klassenkampf vergessen.“[30] Schon um seine Selbstkritik nicht als Kotau vor der Führung der KPF erscheinen zu lassen, lud er den in Italien von der Polizei wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (Brigate rosse) verfolgten Negri zu einer Vorlesungsreihe nach Paris ein.

„Mit Marx über Marx hinaus“[31]? – Vom Kapital zu den Grundrissen

Negri bedankte sich auf seine Weise mit neun Vorlesungen zu Marx’ Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in denen er zu zeigen versuchte, dass „die Wahrheit des Kapital“ nicht in diesem selbst, wo sie Althusser und Genossen (vergeblich?) gesucht hatten, sondern in den vorangegangenen Manuskripten, insbesondere im Rohentwurf von 1857/58 zu finden sei.[32]

Negri liest die Grundrisse konsequent vom Standpunkt des Operaismus und d.h. für ihn, vom Standpunkt der Subjektivität der kämpfenden Arbeiterklasse gegen den von ihm als objektivistisch oder ökonomistisch bezeichneten Standpunkt der „Kapitallogik“ bzw. des Kapitals als „automatisches Subjekt“, dem die (Lohn)Arbeiter samt ihren Kämpfen letztlich hoffnungslos subsumiert blieben.

Theoriegeschichtlich epochemachend war Negris Hinweis auf die zentrale Funktion des sog. „Maschinenfragments“ in den Grundrissen[33] für die Analyse der Entwicklungstendenz der kapitalistischen Produktionsweise über sich selbst hinaus „to a higher state of social production“.[34] „We could say that the Grund-risse comes to completion with this ‘Fragment on Machines’.” [35] Dabei hatte schon Roman Rosdolsky lange zuvor auf die besondere Bedeutung dieser Textpassagen hingewiesen.[36] Bei aller Anerkennung der Pionierleistung Rosdolskys kritisiert Negri dessen angeblich „objektivistische“ Interpretation, die die Notwendigkeit des revolutionären Handelns vernachlässige. Dennoch kommt auch Negri zunächst nicht darum herum, anzuerkennen, dass auch Marx in diesen Passagen keine befriedigende Lösung für die „brennende Frage“ nach dem Verhältnis von objektiven Tendenzen und subjektivem Handeln gefunden habe. [37] „The fact that Marx himself could only achieve partial results must not block us, but rather, on the contrary, it should stimulate us to follow his hypothesis.”[38]

„Postoperaismus“ – Die neue Klassenzusammensetzung, vom „Massenarbeiter“ über den „gesellschaftlichen Arbeiter“ zur „Multitude“

Negris Vorlesungen über die Grundrisse fielen in einen Zeitraum, in dem nicht nur der italienische Operaismus teils sich aufgelöst hatte, teils durch den Staatsapparat zerschlagen worden war, sondern zudem auch der weltweite Siegeszug des Neoliberalismus und damit das Ende des „Fordismus“ (des fordistischen Klassenkompromisses) sich ebenso abzuzeichnen begann, wie der Beginn der informationstechnologischen Revolution. Negri hatte jeglichen Klassenkompromiss stets bekämpft und er sah in dem von ihm zunächst als vorübergehend angesehenen Sieg des Kapitals auch eine Chance, den kompromisslosen Kampf auf einer höheren Stufenleiter erneut aufleben zu lassen. „Die beste Art, heute den Operaismus zu verteidigen, ist die, ihn zu überwinden…“[39] durch eine neue Reflexion auf sich verändernde Klassen- und Kräfteverhältnisse. Das Resultat dieser Reflexion wurde später als „Postoperaismus“ bezeichnet.[40] Dabei galt es, diese „neue Stufe“ allererst theoretisch zu erfassen, wofür ihm die Grundrisse gewisse Schlüsselbegriffe zu liefern schienen. Von Nachteil erwies sich indessen, dass mangels einer aktiven und autonomen Arbeiterbewegung sich dieses kritische Studium nunmehr weitgehend auf die Literatur zum Neoliberalismus und die entsprechenden Managementhandbücher einerseits und auf die davon nicht unbeeinflussten „neuen Philosophen“ in Frankreich andererseits beschränken musste.[41]

Dabei blieb diese Reflexion keineswegs auf Negri oder die „Autonomen“ beschränkt. Frank Deppe stellt fest: „Die utopischen Energien der europäischen Arbeiterbewegungen haben sich weitgehend erschöpft – allerdings ist dies auch das Ergebnis schwerer Niederlagen in den achtziger und neunziger Jahren und damit auch Zeichen ihrer Schwäche und Defensive in den Zeiten neoliberaler Hegemonie.“[42] Gleichzeitig konstatiert er aber, dass infolge der beschleunigten Durchsetzung kapitalistischer Produktionsverhältnisse in der bisherigen Peripherie des Kapitalismus, vor allem in Ostasien und Lateinamerika, seit den 1990er Jahren neue Arbeiterbewegungen entstanden sind, die durch die jeweilige politische Kultur und geschichtlichen Erfahrungen geprägt sind. „Die globale Renaissance von Arbeiterbewegungen – als Widerstand gegen die Herrschaft des Kapitals und als Plattform des Kampfes für eine bessere Welt – bedeutet daher keine bruchlose Fortsetzung der Traditionen der alten europäischen Arbeiterbewegung. Gleichwohl schlagen sie ein neues Kapitel in der langen Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung auf.“[43]

Wie dieses „neue Kapitel“ für eine „neue Linke“ zu beschreiben und zu analysieren sei, darüber traten nun erneut alte und neue Differenzen auch unter Marxisten und selbst unter „Autonomen“ auf. Einig war man sich nach dem Zusammenbruch des „Realsozialismus“ allenfalls negativ, darüber, dass der ehemalige M-L-Marxismus weder theoretisch noch praktisch irgendwelche positive Relevanz für die Analyse der Gegenwart oder Zukunft des globalisierten Kapitalismus im Übergang zum 21. Jahrhundert besitzt. Die in den verschiedenen Weltteilen immer wieder aufflammenden sozialen Widerstandsbewegungen weckten freilich bei vielen Aktivisten das Bedürfnis nach einer neuen Analyse, oder – wie man nunmehr häufig sagte –, nach einem „neuen Narrativ“, dass die vielfältigen Akteure des globalen Kampfes gegen das Kapital als kollektives, alle Differenzen übergreifendes Subjekt der Emanzipation zusammenfassend beschreibt (Klassenzusammensetzung im Weltsystem); ein Bedürfnis, das Negri aufgreift und ihm den Namen „Multitude“ gibt.[44]

Der Weg dahin kann hier nur angedeutet werden. Bei Negri traten zunächst die Grundrisse (Maschinenfragment) an die Stelle des Kapital. Allerdings ist es bemerkenswert, dass Schlüsselbegriffe seiner späteren Arbeiten – wie „general intellect“, „immaterielle Arbeit“ – in Negris Pariser Vorlesungen noch keine Rolle spielten, obwohl er sie später als wesentliche Kategorien der in den Grundrissen seiner Auffassung nach enthaltenen Subjekttheorie interpretiert – ähnlich verhält es sich mit seiner Kritik der Werttheorie bzw. des (ökonomischen) Wertes überhaupt[45], die ebenfalls aus dem „Maschinenfragment“ heraus gelesen wird. Tatsächlich ist diese nachträgliche Interpretation vor allem der seit den 1980er Jahren unübersehbar gewordenen informationstechnischen Revolution und den damit in den Technik-, aber auch in den Sozialwissenschaften diskutierten Themen wie Informations- oder Wissensgesellschaft usw. geschuldet.

Für Negri hat damit eine von Marx in den Grundrissen angedeutete Übergangsepoche begonnen, die einerseits als Resultat der immanenten Tendenz der kapitalistischen Produktionsweise zu begreifen ist, andererseits aber bereits über diese hinausweist auf eine neue Formation der gesellschaftlichen Produktion mit einem neuen ökonomischen Paradigma. Gesellschaftlicher Reichtum erscheint schon in dieser Übergansepoche nicht mehr vorrangig als Ergebnis lebendiger Arbeit (des Arbeitsprozesses als unmittelbare Auseinandersetzung mit der Natur), sondern nun vor allem als Resultat des Wirkens vermittelnder Agentien (Maschinen, Maschinensysteme), in denen die Geschicklichkeit und das Produktionswissen der Arbeiter ebenso „aufgehoben“ und verkörpert sind wie das naturwissenschaftlich-technische und organisatorische Wissen der Epoche im Besonderen, wie schließlich der Gesamtheit gesellschaftlich-kulturellen Wissens, einschließlich Sprache, Kunst etc., d.h. der Gesamtheit der Zivilisation im Allgemeinen (general intellect).[46]

„In dem Maße aber, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder … in keinem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie, oder der Anwendung dieser Wissenschaft auf die Produktion.“[47] Wo aber die (abstrakte) Arbeit resp. die Arbeitszeit aufhört, als Maß der Warenwerte zu dienen, gerät, so Negri, nicht nur die Wertbestimmung, sondern mit ihr die auf äquivalentem Tausch beruhende Warenproduktion selbst in die Krise.

Marx hat diese Krise in den Grundrissen freilich spezifischer gefasst im später von ihm so genannten „Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate“: als historische Krise der Kapitalverwertung. „Es ist dies in jeder Beziehung das wichtigste Gesetz der modernen politischen Ökonomie und das wesentlichste, um die schwierigsten Verhältnisse zu verstehen. Es ist vom historischen Standpunkt aus das wichtigste Gesetz“, weil darin zum Ausdruck kommt, daß die durch das Kapital selbst herbeigeführte Entwicklung der Produktivkräfte ab einem gewissen Punkt „die Selbstverwertung des Kapitals aufhebt, … In schneidenden Widersprüchen, Krisen, Krämpfen drückt sich die wachsende Unangemessenheit der produktiven Entwicklung der Gesellschaft zu ihren bisherigen Produktionsverhältnissen aus. Gewaltsame Vernichtung von Kapital, nicht durch ihm äußere Verhältnisse, sondern als Bedingung seiner Selbsterhaltung, ist die schlagendste Form, worin ihm advice gegeben wird, to be gone and to give room to a higher state of social production.“[48]

Negri versucht nun diese scheinbar objektivistische ‘Zusammenbruchstheorie’ durch eine subjektive Wendung zu deuten, indem er die Produktivkräfte gewissermaßen subjektiviert. Die eigentliche Substanz das Maschinenwesens, der Automation, der Computer, des Internet usw. sei das Wissen, fachliche, organisatorische und soziale Kompetenz der lebendigen Arbeiter, sowohl Voraussetzung als Ergebnis „immaterieller Arbeit“.[49] Damit aber verliere die „alte“ Arbeiterklasse (der tayloristisch-fordistische Massenarbeiter) – obwohl immer noch unentbehrlich – für die Entwicklung von Produktion und Produktivkräften zunehmend an Bedeutung im Vergleich zur neuen Klasse „immaterieller Arbeiter“. Diese bildeten in der Epoche des neoliberalen Postfordismus in den Zentren des Kapitals tendenziell die Mehrheit[50] der Arbeitenden in der Industrie wie im Dienstleistungsbereich – zwei Sektoren, die immer enger zusammenwachsen –, während die „alte“ Arbeiterklasse, die „alten“ Industriezweige und die „alte“, tayloristische Produktions- und Betriebsweise mehr und mehr in die Peripherie des globalen Kapitalismus abgedrängt würden. Für die neue wie für die alte Arbeiterklasse aber gilt allerdings weiterhin, dass es kein Glück ist, „Lohnarbeiter des Kapitals“ zu sein. Vielmehr ist die Existenz (Lebensweise) auch der neuen Arbeiterklasse weiterhin durch Unsicherheit (Arbeitslosigkeit, Prekarisierung, Entrechtlichung, Intensivierung der Arbeit und Entgrenzung der Arbeitszeit, Lohndruck u.a.) charakterisiert. Die sog. Individualisierung oder Subjektivierung der Arbeit ist nach wie vor den Imperativen der Kapitalverwertung subsumiert, ja sie ist, auf dem gegebenen Stand der Produktivkraftentwicklung, geradezu von dieser gefordert. Was als neoliberales Emanzipationsversprechen propagiert wird, erweist sich für die Betroffenen in der Realität als neue Form der Ausbeutung und Entfremdung, vom Produkt ihrer Arbeit, wie von sich selbst, von der eigenen Klasse, ja von der Gesellschaft überhaupt.

Was Marx in den Grundrissen angedeutet hatte, dass nämlich die im und durch den Kapitalismus selbst vorangetriebene Entwicklung der objektiv-sachlichen Produktionsmittel (die automatische Maschinerie etc.) tendenziell über ihre ökonomische Funktionsweise als fixes Kapital hinauswachse und auf eine höhere Produktionsweise verweise, sieht Negri mit der Vorherrschaft der „immateriellen Arbeit“ im Zeitalter der dritten, informationstechnischen Revolution auch auf der subjektiven Seite, d.h. auf Seiten der Arbeitenden in der Industrie wie im Dienstleistungsbereich erreicht. Objektive und subjektive Voraussetzungen für den Übergang zu einer höheren Stufe der gesellschaftlichen Arbeits- und Lebensweise seien also gleichermaßen gegeben; es gelte daher nunmehr beide Momente von den Fesseln des Kapitalverhältnisses zu befreien. Hierzu müsse allerdings „ein neuer Typus von Widerstand“ erfunden werden[51], der dem höheren Vergesellschaftungsgrad des globalisierten Kapitalismus im 21. Jahrhundert entspreche.

Mit der Globalisierung verliere das Konzept der nationalen Souveränität an Bedeutung. Adressat der neuen sozialen Forderungen und Kämpfe gegen die neoliberalen Formen der Ausbeutung und Entfremdung seien daher nicht mehr nur bestimmte kapitalistische Unternehmen (insbes. internationale Konzerne), einzelne Branchen oder der jeweilige nationale Staat, sondern – vor allem wenn es sich um ‘globale Probleme’ des Überlebens (Krieg und Frieden, Ökologie, Entwicklungspolitik, Migration usw.) handelt – die zahlreichen untereinander verflochtenen internationalen (Finanz)Kapital- und Regierungsorganisationen (WTO, IWF, Weltbank, EU, G-7(8), G-20, u.a.) bis hin zu den ‘Vereinten Nationen’ als Einzelne oder in ihrer Gesamtheit, kurz: die aus jahrzehntelangen kalten und heißen Kriegen, imperialistischer Konkurrenz und Globalisierung hervorgegangene internationale „Weltordnung“ – das von Hardt und Negri so genannte „Empire“.[52]

Tatsächlich traten seit Ende des 20. Jh. – neben die traditionellen Arbeiter- und Bauernbewegungen (z.B. in Lateinamerika, Südostasien) und die seit längerem aktiven Friedens- und Umwelt- und Frauenbewegungen – nunmehr vermehrt auch indigene Befreiungsbewegungen, Anti-Rassismus-Bewegungen, „Globalisierungskritiker“ (Weltsozialforum) u.a. Seit der großen Weltwirtschafts- und Finanzkrise von 2007ff. kamen zahlreiche weitere sozial- und kapitalismuskritische Widerstandsbewegungen hinzu, wie Occupy Wall Street, die spanischen „Indignados“, Syriza in Griechenland, schließlich die Welle des „arabischen Frühlings“ u.a. Tariq Ali bemerkt dazu: „Future historians delving into our era will doubtless say that it was particularly rich in social and political movements.”[53]

Common-Wealth[54] – „Der Übergang hat bereits begonnen“

In jedem Fall bleibt aber die Frage, was diesen vielfältigen, sozial, politisch und kulturell unterschiedlichen Bewegungen und ihren verschiedenen Widerstands- bzw. Kampfformen gemeinsam ist. Die traditionelle Linke, so Hardt/Negri, sehe hierin vor allem das Heterogene, allenfalls das Aufbrechen von Nebenwidersprüchen, weil sie an überkommenen Vorstellungen und Kategorien von Klasse, ökonomischer Ausbeutung, Kapital, Staat usw. festhielte, die der Realität der neuen globalen Weltherrschaftsordnung nicht mehr entsprächen. „Wenn wir heute anstatt des Begriffs Klasse den Begriff der Multitude verwenden, dann deshalb, weil wir den Begriff der Arbeiterklasse als für zu eng erachten, um die Intensität (die zunehmend immateriell und zunehmend mehr auf die Wissensverarbeitung als auf die materielle Produktion bezogen ist) und die Ausbreitung (nicht mehr nur in der Fabrik, sondern in der Gesellschaft) der ausgebeuteten Arbeit zu definieren.“[55]

Was die Vielfalt der Multitude zusammenhält ist naturgemäß nicht die spezifische Form von Armut, Existenzunsicherheit, Ausbeutung und Entfremdung, die ihre einzelnen Glieder („Singularitäten“) in national, ethnisch, kulturell usw. unterschiedlichen Verhältnissen erleben, als vielmehr zunächst und unmittelbar ihre gemeinsame Opposition gegenüber dem Empire. Es gelte aber darüber hinaus, das Gemeinsame nicht nur negativ, sondern auch positiv zu bestimmen. Dies ist der Gegenstand der Untersuchung des „Common-Wealth“. „Alle Formen der Produktion in dezentralisierten Netzwerken, ob dabei Computertechnologie im Spiel ist oder nicht, erfordert Freiheit und den freien und offenen Zugang zum Gemeinsamen. Der dort produzierte Inhalt – einschließlich der Ideen, Bilder und Affekte – ist darüber hinaus leicht reproduzierbar, neigt nicht zuletzt deshalb dazu, selbst zur gemeinsamen Ressource zu werden, und widersetzt sich nachdrücklich allen rechtlichen und ökonomischen Versuchen, ihn zu privatisieren oder öffentlicher Kontrolle zu unterwerfen. Der Übergang hat bereits begonnen: Die kapitalistische Produktion heute eröffnet, wenn sie sich an ihren ureigenen Bedürfnissen orientiert, die Möglichkeit und schafft die Grundlagen für eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die auf dem Gemeinsamen beruht.“[56]

„Wofür wir kämpfen“: Die „Gemeinen“ (Commoner) und das „Gemeinsame“[57] – Kommunismus 2.0[58]

Insofern sich die Multitude nicht nur ihrer Gegnerschaft zum natur- und menschenausbeuterischen Systems des „Empire“, sondern zugleich auch ihres Interesses an der gemeinsamen und nachhaltigen Nutzung aller natürlichen und menschlichen Ressourcen als „Gemeingüter“ zum gleichen und gerechten Wohl aller, bewusst wird, verwandelt sie sich aus einem bloßen Subjekt der Rebellion gegen das „Empire“, die „Multitude“, in das Subjekt einer (permanenten) Revolution für alle, d.h. die „Gemeinen“ („Commoner“). „Gemeine arbeiten nicht nur, sondern sie arbeiten am Gemeineigentum. Wir schlagen vor, den Begriff des Gemeinen genauso zu verwenden wie die Berufsbezeichnungen Bäcker, Weber oder Schmied: Bäcker backen, Weber weben, Schmiede schmieden und Gemeine ‚gemeinen‘, d.h., sie gestalten das Gemeinsame. Gemeine sind gewöhnliche Menschen, die eine außergewöhnliche Leistung vollbringen: Sie machen das Privateigentum für die Allgemeinheit zugänglich, sie führen Staatseigentum in Gemeineigentum über und schaffen Mechanismen, dieses in demokratischer Beteiligung zu verwalten, zu entwickeln und zu erhalten.“[59]

Dazu bedürfe es nicht zuletzt einer neuen „Verfassung für das Gemeinsame“[60], die sich auf die radikal-demokratischen Prinzipien der neuen sozialen und politischen Bewegungen gründe.[61] In Anlehnung an den Wortlaut der (nord)amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 könnten diese Prinzipien wie folgt formuliert werden: „Wir halten folgende Wahrheiten für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich sind, dass sie im politischen Kampf gewisse unveräußerliche Rechte errungen haben, dass dazu nicht nur Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören, sondern auch der freie Zugang zu Gemeinschaftsgütern, die gerechte Verteilung des Reichtums und die Nachhaltigkeit des gemeinsamen genauso selbstverständlich ist es, dass zur Sicherung dieser Rechte demokratische Regierungen eingerichtet werden, die ihre rechtmäßige Macht aus der aktiven Teilnahme der Regierten und der Transparenz ihrer Organisationen herleiten. Und schließlich ist es selbstverständlich, dass, wenn irgend eine Regierungsform sich für diese Zwecke als schädlich erweist, das Volk das Recht hat, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen und sie auf solchen Grundsätzen aufzubauen und ihre Gewalten in der Form zu organisieren, wie es zur Gewährleistung ihrer Sicherheit und ihres Glücks geboten scheint.“[62]

Das Resultat einer solchen Verfassungsgebung sei freilich kein Staat mehr, auch kein liberal-demokratischer Staat, insofern darunter ein auf konkurrierenden politischen Parteien beruhendes parlamentarisches Repräsentativsystem verstanden wird, sondern eine politische Form unmittelbarer Selbstverwaltung von sich in einem oder mehreren horizontal-föderierten Gemeinwesen frei assoziierenden Individuen – etwa nach dem Vorbild der Pariser Kommune, oder verschiedener europäischer Rätesysteme (ohne deren spezifische, z.B. betriebliche, berufliche etc. Beschränkungen[63]). Obwohl Hardt/Negri bemüht sind, die weltweite politische Umsetzung diese Verfassungsprinzipien am Beispiel konkreter sozialer bzw. „bio-politischer“ Bedürfnisse (Wasser, Banken, Bildung) und einzelner Organisationsprobleme (Kommunikation, Entscheidungsfindung, Minderheitenschutz) zu illustrieren, bleiben ihre Ausführungen insgesamt doch eher vage[64] und im Detail weit hinter den Darstellungen der „Commons“ etwa bei Rifkin oder Mason (vgl. Teil I) zurück. Andererseits weisen Hardt/Negri mit ihrer Forderung nach einer politischen „Verfassung für das Gemeinsame“ weit über die von Rifkin oder Mason beschriebenen, bestenfalls untereinander vernetzten „Peer-Commons“ hinaus.[65]

Vergleicht man den Bewegungs-„Communismus“ von Hardt/Negri mit den Positionen von Rifkin oder Mason, so fällt auf, dass bei den ersteren weder die technologische noch die ökonomisch krisenhafte Entwicklung auf Seiten des globalen (Finanz)Kapitals eine größere Rolle spielen. Mit dem „Empire“ scheint die Entwicklung der globalen Kapitalmacht gewissermaßen an ihr logisches Ende gekommen zu sein, während die Macht der dem „Empire“ gegenüber stehenden „Multitude“ durch die kapitalinduziert fortschreitende „Massenintellektualität“ scheinbar beständig wächst und damit das konfliktgeladene Gesamtsystem sich in einem Zustand permanenter bzw. sich schubweise zuspitzender Krise befindet. Eine Diagnose, die Negri im Prinzip schon seit seiner ersten, subjektivistischen Grundrisse-Interpretation Ende der 1970er Jahre gestellt hatte (wie oben dargestellt). Die Frage aber, unter welchen Bedingungen die „Verfassung für das Gemeinsame“ durch die „Multitude“ bzw. die „Gemeinen“ gegen die Macht des „Empire“ durchgesetzt werden könne, bleibt unbeantwortet. „Diese Frage können wir noch [sic] nicht beantworten. Aber eines wissen wir: Die Probleme [der Menschheit, gemeint sind Krieg und Frieden, ökologische Probleme, Hunger und Armut u.a. – WG] drängen, und die bestehenden Mächte sind unfähig, sie zu lösen.“[66]

Angesichts dieser globalen Bedrohungslage genügt demnach offenbar schon ein Funke[67] – wenn nicht der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings in der Karibik – um das labile Gleichgewicht des krisengeschwächten „Empires“ in‘s Chaos zu stürzen, das seinerseits dann nur noch durch die konstitutive Macht[68] der „Gemeinen“, d.h. der zur politischen Reife gelangten „Multitude“, in einen zugleich höheren, weil freieren, und stabileren, weil gerechteren, gesellschaftlichen Aggregatzustand, den „Kommunismus 2.0“ (Birkner), verwandelt werden kann.

Von einem solchen metaphysisch[69] gestützten, durch den realen Geschichtsverlauf inzwischen aber dementierten Optimismus sind die beiden prominentesten Vertreter eines „autonomen Marxismus“ in Deutschland, Robert Kurz und Karl Heinz Roth, wenngleich von nahezu entgegengesetzten Polen, weit entfernt. Ihnen werden wir uns im nächsten Teil dieses Literaturberichts zuwenden.

[1] Die hierzulande wenig bekannten Bezeichnungen werden international – vor allem wegen der US-Hegemonie auch in der weltweiten Linken – für ein heterogenes ‘Multiversum’ von theoretischen Strömungen („open marxism“) und praktischen, ‘linksradikalen’ Bewegungen („autonomist marxism“) verwendet, die sich selbst mehr oder minder explizit auf Marx oder den Marxismus berufen, sich zugleich aber vom traditionellen ‘sozialdemokratischen’, ‘leninistischen’ oder ‘stalinistischen’, ja dem klassischen Arbeiterbewegungs-Marxismus überhaupt nicht nur distanzieren, sondern ihn in all diesen Formen auch theoretisch wie praktisch bekämpfen; nicht zuletzt, weil diese ihnen als zentralistisch, staatszentriert, statt dezentral, netzwerkartig und bewegungsorientiert erscheinen und zumeist auch als ‘reformistisch’ statt ‘revolutionär’ gelten. Insofern weisen viele dieser „offenen“ oder „autonomen“ Positionen eine gewisse Nähe zum klassischen Anarchismus oder Anarchosyndikalismus auf. Eine Übersicht über einschlägige Websites: www.schmetterling-verlag.de/download.php?id=165 Vgl. P. Cunningham, „Autonomism“ as a global social movement, in: Journal of Labor and Society, Vol. 13, 2010, 451-464.S. auch: R. Foltin, Autonome Theorien – Theorien der Autonomen? Wien 2015; Zum Anarchismus vgl. P. Pop, Schwarz-rote Flitter Wochen: Marx und Kropotkin für das 21. Jahrhundert, www.grundrisse.net/grundrisse14/14paul_pop.html Das letztere mag einer der Gründe dafür sein, dass der Einfluss dieser Gruppen in Ländern mit einer historischen Tradition des Anarchismus stärker ist als in Ländern mit sozialdemokratischen und traditionellen marxistischen resp. marxistisch-leninistischen, sich explizit politisch verstehenden, um die Macht im Staat kämpfenden Parteien. Dies gilt auch – trotz der über längere Zeiten anhaltenden Hegemonie der KPI – für Italien, dem Land, in dem bzw. von dem aus die autonomen Bewegungen ihren national (praktisch), wie international (theoretisch) größten Einfluss hatten.

[2] „Marx oltre Marx“ hatte A. Negri seine 1978 in Paris gehaltenen Vorlesungen über Marx Grundrisse überschrieben. Vgl. A. Negri, Marx beyond Marx. Lessons on the Grundrisse, New York 1991. Ähnlich M. Postone, Marx neu denken, in: R. Jaeggi, D. Loick (Hg.), Nach Marx. Philosophie, Kritik, Praxis, 2. Aufl., Berlin 2014, S. 364-393. In Deutschland hatten sich Negris Losung – nicht unbedingt seiner Interpretation der Grundrisse – so unterschiedliche Autoren wie R. Kurz und K. H. Roth angeschlossen. (Vgl. Teil III, Z 109, März 2017)

[3] Vgl. M. Birkner, Lob des Kommunismus 2.0, Wien 2014.

[4] Fortsetzung zu: „Eine Art ‚Commonismus‘“? Varianten des Postkapitalismus, Teil I, in: Z 107 (September 2016), S. 83-97. Der erste Teil dieses Literaturberichts beschäftigte sich mit den Auffassungen von Immanuel Wallerstein, Wolfgang Streeck, Jeremy Rifkin und Paul Mason.

[5] Vgl. W. Bonefeld/R. Gunn/K. Psychopedis (Eds.), Open Marxism, 3 vol., London 1992ff. Vgl. auch die von 2001 bis 2012 erschienene Zeitschrift „The Commoner“ und ihre Vorgängerin „Common Sense“. Die Bandbreite der in diesen Sammelbänden bzw. Zeitschriften aufgenommenen Autoren ist enorm, so dass fast ebenso gut die hierzulande geläufigere Bezeichnung „Neomarxismus“ oder „Pluraler Marxismus“ (vgl. W. F. Haug, Pluraler Marxismus, 2 Bde, Berlin 1985/87) verwendet werden könnte.

[6] Der international gebräuchliche Ausdruck „militant“ konnte sich in Deutschland, wohl wegen seines militärischen Anflugs, nicht durchsetzen.

[7] Ob sie sich dabei – unter Berufung auf Engels’ Rede am Grab von Marx („Marx war vor allem Revolutionär“) – als die „wahren“ Erben von Marx begreifen können, sei hier zunächst dahingestellt.

[8] Vgl. hierzu die Aufforderung, das Kapital neu zu lesen: J. Hoff/A. Pétrioli/I. Stützle/F. O. Wolf (Hg.), Das Kapital neu lesen – Beiträge zur radikalen Philosophie, Münster 2006; Vgl. auch H. Reichelt, Neue Marxlektüre. Zur Kritik sozialwissenschaftlicher Logik, Hamburg 2009; W. Bonefeld/M. Heinrich (Hg.) Kapital & Kritik. Nach der „neuen“ Marx-Lektüre, Hamburg 2011. Zur Debatte um die Marxlektüren seit den 1960er Jahren kritisch zusammenfassend: W. F. Haug, Das Kapital lesen – aber wie? Materialien zur Philosophie und Epistemologie der marxschen Kapitalismuskritik, Hamburg 2013.

[9] Vgl. A. Gallas; Subjektivität = Fetischismus? Die wertkritische Marxrezeption auf dem Prüfstand, in: J. Hoff u.a. (Fn 7), 301-323.

[10] Vgl. T. Schulze/A. Gross, Die Autonomen. Ursprünge, Entwicklung und Profil der Autonomen Bewegung, Hamburg 1997; Geronimo, Feuer und Flamme. Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen. Berlin/Amsterdam, 4. Aufl. 1995.

[11] Vgl. G. Hanloser/K. Reitter, Der bewegte Marx. Eine einführende Kritik des Zirkulationsmarxismus, Münster 2008.

[12] Als Beispiel für eine „autonome“, den Klassenkampf betonende Kapitallektüre gilt dagegen: H. Cleaver, Das Kapital politisch lesen. Eine alternative Interpretation des Marxschen Hauptwerks, Wien 2012. Cleaver beansprucht dort u.a., den Begriff „autonomist Marxism“ erstmals eingeführt zu haben. A.a.O., 54.

[13] Jungle World, Nr. 4, 23. Januar 2014.

[14] Hierauf wird in einem weiteren Teil dieses Berichts, der die aktuelle Transformationsliteratur in Deutschland und dabei u. a. die Problematik einer „sozialistischen Warenproduktion“ thematisiert, näher einzugehen sein.

[15] H.-G. Backhaus, Dialektik der Wertform. Untersuchungen zur marxschen Ökonomiekritik, Freiburg 1997.

[16] M. Heinrich widmet in seiner vielgelesenen Schrift: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung, Stuttgart 2004, dem „Kommunismus – Gesellschaft jenseits von Ware, Geld und Staat“ gerade mal sechs von zweihunderteinundzwanzig Seiten. Eine Ausnahme hiervon bildet W. F. Haug, der ausdrücklich die Bedeutung der sozialistischen Perspektive für die Kritik der politischen Ökonomie hervorhebt. In: ders., Neue Vorlesungen zur Einführung ins Kapital, Hamburg 2006, 235-259. Vgl. auch ders., Kapitallektüre im Lichte der kommunistischen Erfahrung, in: Das Kapital lesen. Aber wie ? Materialien zur Philosophie und Epistemologie der marxschen Kapitalismuskritik, Hamburg 2013, 69-87.

[17] Die deutsche Diskussion um die ‘Wertform’ etc. spielte in der internationalen Debatte – außer in Japan und Südkorea – lange Zeit eher eine untergeordnete Rolle. International einflussreicher war hingegen die von L. Althusser, E. Balibar u.a. unter dem Titel „Lire le Capital“ erstmals 1965 veröffentlichte Arbeit, die vor allem in den romanischsprachigen Ländern Südeuropas und Lateinamerikas (im Original oder in Übersetzungen), bald darauf auch in den USA rezipiert wurde. Eine deutsche, gekürzte Ausgabe, die 1971 erschienen war, blieb hierzulande ohne größere Wirkung, jedenfalls spielte sie in den Kapital-Lektüre-Kreisen keine nennenswerte Rolle. Neuerdings ist eine vollständige und ergänzte deutsche. Ausgabe erschienen. Vgl. L. Althusser u.a., Das Kapital lesen. Vollständige und ergänzte Ausgabe mit Retraktationen zum Kapital, hg. v. F. O. Wolff, Münster 2015. Für die in diesem Literaturbericht zu behandelnden Positionen des „autonomen Marxismus“ spielte Althusser vor allem wegen seines Einflusses auf Antonio Negri eine Rolle (vgl. hierzu weiter unten).

[18] Vgl. den sog. 6-Bücher-Plan, den Marx in einem Brief an Engels 1858 erstmals skizziert hatte (MEW 29, 312).

[19] Marx an Kugelmann, 28. Dez. 1862, MEW 30, 639.

[20] Dies scheint angesichts der relativ langen historischen Periode, die zwischen Marx und unserer Gegenwart liegt, mit ihren von niemandem vorhersehbaren Entwicklungen, Umwälzungen und Katastrophen in beiderlei Hinsicht eine Selbstverständlichkeit zu sein. Dabei ist jedoch zu bedenken: „Das unabdingbare Hinausgehen über Marx muss nun aber so sorgfältig und misstrauisch in Augenschein genommen werden wie ein Kletterseil vor der Bergtour. Spätestens von der folgenden Generation wird es rücksichtslos überprüft werden. Oft genug wird es verworfen. Die periodische Rückkehr zu Marx bildet deshalb ein genauso wichtiges Moment wie die umgekehrte Bewegung, gegen die sie sich richtet.“ W. F. Haug, Neue Vorlesungen (Fn 16), 15. Freilich ist es mit einer bloßen Rückkehr nicht getan. Jede Generation kehre nämlich von einer jeweils neuen gesellschaftlichen Konstellation zu Marx zurück um von dort aus wiederum zur Analyse der aktuellen Wirklichkeit fortzuschreiten. (ebd.)

[21] A. Jappe, Des Proletariats neue Kleider. Vom Empire zurück zur Zweiten Internationale, in: Krisis 25 (2002); R. Kurz, Weltordnungskrieg, Das Ende der Souveränität und die Wandlungen des Imperialismus im Zeitalter der Globalisierung, Bad Honnef 2003, 255-271. Zur Kritik vom Standpunkt eines eher traditionellen Marxismus vgl. F. Deppe u.a.., Der neue Imperialismus, Heilbronn 2004, 88-96.

[22] Vgl. hierzu die hierzulande noch immer umfassendste und zugleich nüchtern sachliche Darstellung von D. Albers, in: D. Albers, W. Goldschmidt, P. Oehlke, Klassenkämpfe in Westeuropa, Reinbek b. Hamburg 1971.

[23] Vgl. S. Wright, Den Himmel stürmen. Eine Theoriegeschichte des Operaismus, Berlin 2005.

[24] So der Titel einer frühen Artikelserie von Mario Tronti in der Zeitschrift „Quaderni Rossi“ (1962), teilweise abgedruckt (dt.) in: ders., Arbeiter und Kapital, Frankfurt/M. 1974.

[25] Vgl. hierzu insgesamt: Arbeit. Bewegung. Geschichte, Zeitschrift für historische Studien, 15. Jg., (2016), H. 1, Schwerpunkt: Linke Betriebsintervention, Wilde Streiks und operaistische Politik 1968-1988, Berlin.

[26] Vgl. etwa MEW 23, 459f.

[27] Vgl. zur Kritik: S. Wright, a.a.O., 165-185. Ebenso wie die auf bloßer Äquivokation beruhende Begriffsverwirrung durch die Bezeichnung „abstrakte Arbeit“ für das Gemeinsame aller konkreten Arbeitsformen der „gesellschaftlichen Arbeiter“. Vgl. R. Battaggia, Massenarbeiter und gesellschaftlicher Arbeiter – einige Bemerkungen über die „neue Klassenzusammensetzung in: Primo Maggio 14, 1980/81, 71-77. www.wildcat-www.de/zirkular/36/z36batta.htm

[28] Gemeint ist eine von Arbeitern und Intellektuellen gemeinsam betriebene Sozialforschung. Zum Verhältnis zur kritischen Soziologie (der Frankfurter Schule) vgl. S. Wright, Den Himmel …, a.a.O., 31-41.

[29] So Althusser in seiner Selbstkritik. Vgl. ders., Elemente der Selbstkritik, Westberlin 1975.

[30] A.a.O., 111.

[31] A. Negri, Marx oltre Marx, Mailand 1979, hier, wie im Folgenden, zit. nach der amerikan. Ausgabe: Marx beyond Marx. Lessons on the Grundrisse, New York 1993. „… beyond which Marx? … When we reread the Grundrisse, one feeling dominates: that here we are truly “beyond Marx”. Marx beyond Marx? The Grundrisse beyond Capital? Maybe.“ A.a.O., 14.

[32] „The Grundrisse represents the summit of Marx's revolutionary thought”, a.a.O., 19.

[33] Negri verweist auf die letzten Seiten des VI und den Anfang des VII Heftes der ‘Grundrisse’, letzteres von den Hg. als „Fixes Kapital und Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft“ überschrieben. Vgl. MEW 42, 582(590)-609; auch: Das Kapital als fruchtbringend (tendenzieller Fall der Profitrate-WG): 637-(643)658. Eine auf Negris Hinweisen fundierende Textzusammenstellung findet sich bei C. Lotz, Karl Marx: Das Maschinenfragment, Hamburg 2014. (Vgl. auch die Besprechung in diesem Heft, S. 209ff.)

[34] Marx, in: Grundrisse, MEW 42, 642.

[35] Negri, a.a.O., 128.

[36] Vgl. R. Roskdolsky, Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen Kapital, 2 Bde., Frankfurt/M, Wien 1968. Kap. 28, Bd. II, 486-513, insbes. 500.

[37] The only result, as we have seen, would be indeterminacy. … Marx is conscious of this limit and wants to go beyond it. … Throughout the final part of the Grundrisse Marx tries hard to reach this new level of exposition. Let us say immediately that the results are not completely satisfying. A.a.O., 174.

[38] A.a.O., 175. Vgl. dazu M. Tomba & R. Bellofiore, Lesarten des Maschinenfragments, in: M. van der Linden, K. H. Roth (Hg.), Über Marx hinaus, Berlin/Hamburg, 2. Aufl., 2011, 407-431.

[39] R. Battaggia, a.a.O., 71.

[40] Vgl. M. Birkner, R. Foltin, (Post-)Operaismus. Von der Arbeiterautonomie zur Multitude, 2. Aufl., Stuttgart.

[41] Man denke etwa an Foucaults mehrdeutige Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus. Vgl. M. Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II, Frankfurt/M. 206, 112-444. Michael Hardt hat später „drei Quellen“ ihres gemeinsamen Denkens benannt: „Amerikanische Ökonomie, italienische Politik und französische Philosophie“; zit. n. M. Birkner, R. Foltin, a.a.O., 53. (Fn 40)

[42] F. Deppe, Arbeiterbewegung(en), in: ders. u.a., Nichts bleibt wie es war. Ein Vierteljahrhundert im Überblick (1980-2005), Heilbronn 2005, 17f.

[43] A.a.O., 18. Eine empirisch fundierte, systematisch-vergleichende Studie zur Geschichte der europäischen und amerikanischen Arbeiterbewegungen vom 19. Jh. bis zu Beginn des 21. Jh. findet sich in: B. J. Silver, Forces of Labor. Arbeiterbewegungen und Globalisierung seit 1870, Berlin, Hamburg 2005.

[44] “We do not propose the concept as a political directive – ‘Form the Multitude’ – but rather a way of giving a name to what is already going on and grasping the existing social and political tendency.” M. Hardt, A. Negri, Multitude. War and Democracy in the Age of Empire, New York, 2004, 220. Hierfür spielte Negris Spinoza-Rezeption eine wichtige Rolle. Näheres a.a.O., 221f. Vgl. auch das 1979/80 unter extremen Bedingungen in italienischen Gefängnissen verfasste Spinoza-Buch: A. Negri, Die wilde Anomalie. Spinozas Entwurf einer freien Gesellschaft, Berlin 1982. Bei Spinoza selbst spielte die „multitudo“ allerdings eine ambivalente Rolle insofern sie sich eher von den Leidenschaften als von Vernunft leiten lässt – selbst in der Demokratie. Vgl. dazu B. Spinoza, Tractatus politicus, Kap. XI, Von der Demokratie (Fragment).

[45] Vgl. dazu auch die Positionen von Robert Kurz und von M. Postone, Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft. Eine neue Interpretation der kritischen Theorie von Marx, Freiburg 2010.

[46] „Die Entwicklung des capital fixe zeigt an, bis zu welchem Grade das allgemeine gesellschaftliche Wissen, knowledge, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist und daher die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozesses selbst unter die Kontrolle des general intellect gekommen und ihm gemäß umgeschaffen sind.“ Grundrisse, MEW 42, 602.

[47] A.a.O., 600. Vgl. auch 604 unten.

[48] A.a.O., 641f. (Hervorh. – WG).

[49] Vgl. M. Lazzaroto, Immaterielle Arbeit, Gesellschaftliche Tätigkeit unter den Bedingungen des Postfordismus, in: T. Atzert (Hg.), Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion, Berlin 1998, 39-52. Zur Kritik dieses in vieler Hinsicht (philosophisch, soziologisch, ökonomisch) problematischen Begriffs vgl. W. F. Haug, Immaterielle Arbeit, in: Hist. Krit. Wörterbuch d. Marxismus (HKWM), Bd. 6/1, Sp. 819-832. Jedenfalls umfasst er mehr als bloßes (wissenschaftlich-technisches) Wissen, sondern auch „Flexibilität und Mobilität, eine allgemeine soziale Kompetenz, die Fähigkeit zu kommunizieren, affektive Beziehungen zu und zwischen Personen herzustellen, die Qualifikation, mit Informationen und Sprache umzugehen, schließlich die Begabung und die Bereitschaft, sich unaufhörlich auf veränderte Situationen einzustellen.“ T. Atzert, Immaterielle Arbeit? Das Schillern der Begriffe und die Veränderung der Welt: reflect. association für pol. Bildung und Gesellschaftsforschung, http://www.reflect-online.org/publikation/sulserio/immaterielle-arbeit-das-schillern-der-begriffe-und-die-veraenderung-der-welt

[50] Im Kapital (MEW 23, 443) hatte Marx diese Fraktion der Industriearbeiter noch als numerisch unbedeutend bezeichnet. „Neben diese Hauptklassen (der Industriearbeiter: „Maschinenarbeiter“ und ihre „Gehilfen„ - WG) tritt ein numerisch unbedeutendes Personal, das mit der Kontrolle der gesamten Maschinerie und ihrer beständigen Reparatur beschäftigt ist, wie Ingenieure, Mechaniker, Schreiner usw. Es ist eine höhere, teils wissenschaftlich gebildete, teils handwerksmäßige Arbeiterklasse, außerhalb des Kreises der Fabrikarbeiter und ihnen nur aggregiert.“ Zur „Massenintellektualität“ wie zur „Soziologie der immateriellen Arbeit“ im Postfordismus vgl. M. Hardt, A. Negri, Empire. Die neue Weltordnung, Frankfurt/M. 2002, 300-3005.

[51] A..a.O., 319.

[52] „Mit dem globalen Markt und mit globalen Produktionsabläufen entstand eine globale Ordnung, eine neue Logik und Struktur der Herrschaft – kurz, eine neue Form der Souveränität. Das Empire ist das politische Subjekt, das diesen globalen Austausch tatsächlich reguliert, die souveräne Macht, welche die Welt regiert.“„Die Globalisierungsprozesse sind nicht länger eine bloße Tatsache, sondern auch Grundlage des Rechts. Sie zielen der Tendenz nach auf die Schaffung einer einzigen supranationalen Gestalt politischer Macht.“ Hardt, Negri, a.a.O., 9, 24. Im „Empire“ ist die Trennung von Ökonomie und Politik ebenso wie die von Innen und Außen etc. ‘aufgehoben’. Zur Konstitution des „Empire“ vgl. a.a.O., 24-29, 320-324. Zur Kritik vgl. u.v.a. B. Jessop, Imperium, in: Hist. Krit. Wörterbuch d. Marxismus, Bd. 6/2, Sp. 865-873.

[53] T. Ali, NuitDébout, (im franz. Original: Le Monde, 4 mai 2016). Allerdings hat er es versäumt hinzuzufügen, dass alle diese Bewegungen inzwischen schon fast wieder Geschichte sind. Zukünftige Historiker werden für die jüngste Etappe der Krisenfolgen kaum weniger, vermutlich sogar mehr von rechten, rechtsradikalen bis hin zu neofaschistischen (Gegen)Bewegungen in den arabischen Ländern, in Lateinamerika, Europa und den USA zu berichten haben.

[54] M. Hardt, A. Negri, Common-Wealth. Das Ende des Eigentums, Frankfurt/M. 2010.

[55] Die Revolution hat bereits begonnen. Ein Gespräch mit John Holloway und Antonio Negri, ak-analyse & kritik - zeitung für linke debatte und praxis / Nr. 504 / 17.3.2006.

[56] Hardt/Negri, Common-Wealth., a.a.O., 12.

[57] Der durch die Praxis des „Realsozialismus“ und durch den westlichen Journalismus verzerrte Begriff des Kommunismus bedeute heute „zumeist zentralisierte staatliche Kontrolle von Wirtschaft und Gesellschaft, eine totalitäre Regierungsform, wie auch der Faschismus eine ist. Wenn ein Begriff dermaßen korrumpiert ist, sollte man ihn eigentlich fallen lassen und einen anderen Namen finden für das, was wir uns wünschen. Doch zumindest in diesem Fall halten wir es für besser, um den Begriff zu kämpfen und auf seiner eigentlichen Bedeutung zu beharren. Auf rein begrifflicher Ebene könnten wir unsere Definition von Kommunismus damit beginnen: was das Private für den Kapitalismus und das Öffentliche für den [auf den Staat fixierten – WG] Sozialismus ist, das ist das Gemeinsame für den Kommunismus.“ Hardt/Negri, a.a.O., 284f.

[58] Martin Birkner, ein getreuer ‘Schüler’ von Negri, nennt das Regime des Gemeinsamen „Kommunismus 2.0“. Vgl. ders., Lob des Kommunismus 2.0, Wien 2014.

[59] M. Hardt/A. Negri, Demokratie! Wofür wir kämpfen, Frankfurt/New York 2013, 117f.

[60] A.a.O., 57-112.

[61] Dabei stützen sich Hardt/Negri auf eine Aussage von Marx/Engels in der Deutschen Ideologie: „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben (wird). Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.“ MEW 3, 35. Überhaupt – was selten bemerkt worden ist – scheinen sich die Auffassungen von Hardt/Negri zum Kommunismus, sofern sie sich dabei an Marx orientieren, weitgehend unausgesprochen nicht nur auf die Grundrisse, sondern auch auf die Deutsche Ideologie zu stützen. Vgl. insbesondere a.a.O., 34-38.

[62] Hardt/Negri, Demokratie …, a.a.O., 59.

[63] A.a.O., 103f.

[64] Zu den ökonomischen Funktionen der ‘Commons’ liegen aus Negri nahestehenden post-operaistischen Positionen neben M. Birkner, a.a.O. 76-88, weitere Publikationen vor: A. Exner, B. Kratzwald, Solidarische Ökonomie & Commons, Wien 2012; G. Notz, Theorien alternativen Wirtschaftens. Fenster in eine andere Welt, 2. Aufl. Wien 2012.

[65] Zum Versuch einer Vermittlung zwischen dem eher technischen Begriff der Vernetzung und dem politisch-philosophischen Begriff der ‘Konstituierung’ (hier: Verfassungsgebung) vgl. S. Meretz, Communismus statt Sozialismus, in: Marxistische-Abendschule Hamburg (Hg.), Aufhebung des Kapitalismus. Ökonomie einer Übergangsgesellschaft, Hamburg 2015, 259-277, speziell: 270-275.

[66] A.a.O., 68.

[67] Hardt/Negri verweisen beispielhaft auf den Beginn der „Arabellion“: „Das Jahr 2011 begann früh, am 17. Dezember 2010, als sich der 26-jährige Straßenhändler Mohammed Bouazizi, ein studierter Informatiker, in der tunesischen Stadt SidiBouzid selbst verbrannte. Ende des Monats hatten die Massenproteste mit der Forderung ‘Ben Ali dégage!’ Tunis erreicht, und Mitte Januar hatten sie Zine el Abidine Ben Ali vertrieben. Die Ägypter trugen die Fackel weiter. Ab Ende Januar strömten Tag für Tag Zehn- und Hunderttausende auf die Straßen und forderten, dass nun auch Hosni Mubarak gehen müsse. Sie hatten den Tahrir-Platz in Kairo gerade einmal achtzehn Tage lang besetzt gehalten, als auch Mubarak abtrat.“ Hardt/Negri, Demokratie …, 8.

[68] „Die Pariser Kommune gilt Marx als schlagender Beweis für die konstitutive M[acht] des arbeitenden Volkes, die Welt zu verändern nach den Bedürfnissen der Menschen statt nach den Zwängen des Kapitals.“ W. Goldschmidt, Macht I, in: Hist. Krit. Wörterbuch d. Marxismus, Bd. 8/II, Sp. 1499.

[69] „Die Krise des Kapitalismus mündet nicht automatisch in den Zusammenbruch. Die ungeheure Vielfalt der Singularitäten, die im biopolitischen Feld der Gemeinsamen produzieren und produziert werden, bewegt sich nicht spontan zum Exodus und konstruiert nicht spontan ihre Autonomie. Es bedarf einer politischen Organisierung, um die Schwelle zu überschreiten, um politische Ereignisse zu generieren. Den kairos – den günstigen Augenblick, der mit der Monotonie und Repetitivität der chronologischen Zeit bricht – muss ein politisches Subjekt ergreifen.“ Hardt/Negri, Common-Wealth, a.a.O., 179.