Krisenreaktionen in Europa

„Linker Aufbruch in Europa?" – eine nüchterne Zwischenbilanz

von Klaus Dräger
Juni 2016

„Bei den im Jahr 2015 in neun Ländern abgehaltenen Wahlen (inklusive
Regionalwahlen) entfielen doppelt so viele Stimmen auf die Parteien
der radikalen Rechten wie auf die der radikalen Linken. Die Stimmengewinne
der radikalen Rechten sind Ausdruck einer – im gesamten europäischen
Maßstab in allen Bevölkerungsschichten, und insbesondere in den unteren
Mittelschichten, aufgrund von Massenarbeitslosigkeit, Prekarität und
Zerstörung des Sozialstaats anwachsenden – Frustration und Verunsicherung.“[1]

Zu dieser bitteren Erkenntnis der politischen Lage in der Europäischen Union kommt eine Erklärung von Verantwortlichen des Stiftungsnetzwerks transform!, welches der Partei der Europäischen Linken (EL) nahe steht. In Z 104 hatte ich mich kritisch mit der zuvor von der EL vertretenen Hypothese auseinandergesetzt, der Wahlsieg von Syriza in Griechenland im Januar 2015 werde das Ende oder zumindest eine Aufweichung der Austeritätspolitik in der EU einleiten. Die Dominostein-Theorie der EL lautete damals: eine erstarkende Linke in Portugal, Spanien und Irland werde Syriza zur Seite springen, den Mitte-links Regierungen in Italien (PD, Renzi) und Frankreich (PS, Hollande) neue Spielräume für ihre Forderungen nach einem europäischen Wachstumskurs eröffnen und die Kräfteverhältnisse in der EU so in Richtung einer sozialeren Politik verschieben.

Die Erklärung von transform! setzt aus meiner Sicht nun auf eine ‚Domino-Theorie light’: Es sei „eine Gegenbewegung zugunsten einer alternativen Politik zu konstatieren, was daran ersichtlich ist, dass in Griechenland Syriza noch immer in der Regierung und darum bemüht ist, die Auswirkungen des neuen Memorandums abzufedern; dass in Spanien das Zweiparteiensystem beendet werden konnte; dass im portugiesischen Parlament nun eine linke Mehrheit sitzt; dass in Irland ein Sieg von Sinn Féin in den Bereich des Möglichen gerückt ist; dass die britische Labour Party eine neue Führung hat … Doch noch ist das nicht die die Dynamik bestimmende Tendenz in einer Situation, in der das politische Zentrum, und insbesondere die Sozialdemokratie, erodiert.“

Sicher, die Hoffnung stirbt zuletzt. Linker politischer Realismus erfordert m.E. aber, zunächst eine konkrete Analyse einer konkreten Situation zu versuchen.

Griechenland

Syriza ist als Regierungspartei darum bemüht, die Auswirkungen des neuen Memorandums abzufedern? In der Tat hat diese Regierung einige Maßnahmen zugunsten der ärmsten Schichten der Bevölkerung eingeleitet (kostenlose Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und besonders Arme, kostenloser öffentlicher Transport für Erwerbslose, Nahrungsmittelhilfen, Schulspeisung, kostenlose Strom- und Wasserversorgung für arme Familien usw.). Doch dies gehört im Wesentlichen zum Programm zur Bekämpfung der humanitären Krise, das die Troika (EU-Kommission, IWF und EZB) zuvor grundsätzlich genehmigt hatte. Ansonsten ist die Regierung bemüht – bis hin zur abermaligen drastischen Kürzung der Renten – die Auflagen des Dritten Memorandums umzusetzen.[2] Dagegen gibt es breiten sozialen Widerstand mit Generalstreiks von Gewerkschaften, massiven Protestaktionen von Bauern usw. – also von jenen gesellschaftlichen Kräften, die vormals große Hoffnungen auf Tsipras gesetzt hatten.

Während die EL den Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei scharf ablehnt[3], setzt die Syriza-Regierung diesen mit Unterstützung von PASOK und der liberalen To Potami um und schiebt Flüchtlinge in die Türkei ab.[4] Diese Entwicklungen nüchtern und kritisch zur Kenntnis zu nehmen, ist kein ‘Syriza-bashing’. Es hilft der EL und ihrer politischen Glaubwürdigkeit m.E. aber nicht, dies aus ‚Solidarität mit der griechischen radikalen Linken’ schönzureden. Zum ‚Zündfunken für die Überwindung der Austerität in Europa’ – wie von der EL zuvor propagiert – ist die Syriza-Regierung jedenfalls nicht geworden.

Portugal

Im portugiesischen Parlament haben Sozialisten, Bloco de Esquerda und CDU (Bündnisliste von Kommunistischer Partei PCP und Grünen) nach den Wahlen vom Oktober 2015 zusammen eine absolute Mehrheit (122 von 230 Mandaten). Bloco und CDU waren nach Verhandlungen mit den Sozialdemokraten bereit, deren Parteichef António Costa am 26.11.2015 zum Premierminister einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung zu wählen. Bloco, PCP und Grüne hatten dabei jeweils eigene Vereinbarungen mit Costas Sozialisten ausgehandelt.[5]

Ihr gemeinsames Ziel war, die vormalige Rechtskoalition (PSD, CDS) unter Passos Coelho abzuwählen und deren Austeritätspolitik rückgängig zu machen. António Costa hatte den Wahlkampf der PS gegen Widerstände in der eigenen Partei mit dem Versprechen bestritten, die von der EU-Troika zuvor durchgeprügelte Verarmungsstrategie in Portugal zu beenden. Die erzielten Vereinbarungen legen die Minderheitsregierung im Wesentlichen darauf fest, die Wahlversprechen Costas umzusetzen und die von der Austeritätspolitik besonders betroffenen Teile der Bevölkerung zu schützen. So wurden von der Rechtskoalition gestrichene Feiertage wieder eingeführt, Extra-Steuern gesenkt, Zwangsräumungen von Wohnungen erschwert, Renten und Sozialleistungen für Geringverdienende aufgestockt und Sozialversicherungsbeiträge für diese abgesenkt. Die 35-Stunden-Woche im Öffentlichen Dienst wurde wieder eingeführt, Mindestlöhne gesichert und darüber hinaus vereinbart, sie in den folgenden Jahren anzuheben. Privatisierungsvorhaben der alten Regierung wurden gestoppt und Investitionen in Gesundheit und Bildung abgemacht.[6] Die Vereinbarung mit dem Bloco enthält zudem eine ‚Garantieklausel’, dass bei schlechter Haushaltslage nicht wieder bei Renten, Sozialleistungen, Gesundheitssystemen etc. gekürzt werden soll.

Wie steht es um die ‚gesellschaftspolitische Hegemonie’ des portugiesischen Experiments? Auf die Parlamentswahl im Oktober 2015 folgte die Präsidentschaftswahl am 24.01.2016. Die Wahlbeteiligung sank auf einen historischen Tiefstand von nur 48 Prozent. Schon im ersten Durchgang gewann der Kandidat der konservativen Koalition (PSD/CDS), Marcelo de Sousa, mit 52 Prozent der Stimmen. Der Kandidat der PS-Mehrheit um Premier António Costa, Antonio de Sampaio de Nova (unabhängig), erzielte 22,9 Prozent. Gefolgt von Marisa Matias (Bloco) mit 10,1 Prozent und Edgar Silva vom PCP mit nur 3,9 Prozent.[7] Die Kandidatin des rechten Flügels der Sozialdemokraten – Maria de Belem – erhielt nur 4,2 Prozent. Wertet man diese Wahl als Stimmungstest nach der Regierungsbildung Ende November 2015, so kamen die Kräfte der bestehenden portugiesischen linken Allianz auf knapp 37 Prozent. Politische Hegemonie ist das wohl (noch) nicht.[8]

Bloco und PCP stellen keine Minister in der portugiesischen Regierung. Es handelt sich also um eine Tolerierungskonstellation, bei der die sozialdemokratische Minderheitsregierung für jede Gesetzesvorlage immer wieder neu Mehrheiten im Parlament organisieren muss. Schon sehr früh nach den Verhandlungen der Linksparteien mit den Sozialisten wies der frühere Fraktionsvorsitzende des Bloco, Francisco Louçã (ein renommierter Wirtschaftswissenschaftler), auf strukturelle Probleme der Tolerierungsabkommen hin. Wie mit der dramatisch angestiegenen staatlichen Gesamtverschuldung umgehen, dem Leistungsbilanzdefizit Portugals, dem angeschlagenen portugiesischen Bankensektor, der ablehnenden Haltung Brüssels, Berlins und der EZB in Frankfurt zu jeder Aufweichung des Austeritätskurses der vormaligen Rechtsregierung? Wie Investitionen in die ‚Realwirtschaft’ befördern, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und die sozialpolitische Umkehr abzusichern?[9]

Darüber bestehen zwischen den jeweiligen Konzepten der Linksparteien und jenen von Costas Sozialdemokraten weiterhin tief greifende Unterschiede, die in den Tolerierungsabkommen ausgeklammert wurden. Bloco und PCP plädieren für einen Schuldenschnitt für Portugal, und wenn dieser nicht vereinbart werden kann, für einen Austritt aus der Eurozone. Die Sozialisten hingegen versichern, dass ihre Regierung alle EU-Auflagen (Fiskalspakt usw.) erfüllen wird. Portugal ist nicht länger ein Programmland der Troika. Das „Europäische Semester“ mit verschärften Vorgaben wegen Haushaltsdefizit, Staatschuld, EU-Vorgaben zu neoliberalen Strukturreformen usw. wirkt aber auch hier.

Dies ist insofern die Sollbruchstelle, an der die EU-Kommission, die EZB, die deutsche Regierung und die internationalen Finanzmarktakteure das ‚Linksbündnis’ in Portugal in die Knie zwingen wollen. Da war z.B. der Fall der portugiesischen Banif-Bank: hoch verschuldet und von der EZB als EU-Bankenaufsicht zur Abwicklung empfohlen (Verkauf an die spanische Santander-Bank zum Schleuderpreis). Die sozialdemokratische Minderheitsregierung beugte sich den Empfehlungen aus Brüssel und Frankfurt, Bloco und CDU stimmten dagegen. Die konservative Opposition enthielt sich und winkte so die Bankabwicklung durch.

Die Kosten allein dafür erhöhten das Haushaltsdefizit Portugals von 3 auf 4,2 Prozent des BIP. Den Haushalt Portugals für 2016 hat die EU-Kommission daraufhin nur unter strengstem Vorbehalt und auch nur vorläufig genehmigt. Sie setzte dabei durch, dass Einsparungen von 845 Mio. Euro (statt ursprünglich 450 Mio. EUR) geleistet werden müssten.[10]

Die portugiesische Zentralbank weigerte sich, nach der Abwicklung der Banif-Bank noch weitere Bail-out-Operationen bei strauchelnden portugiesischen Banken vorzunehmen. Das gefiel den internationalen Rating-Agenturen überhaupt nicht. Moodys, Fitch usw. stuften portugiesische Staatsanleihen bereits auf ‚Ramschniveau’ herab. Es hängt allein an der kanadischen Agentur DBRS – ihre Entscheidung war für Ende April 2016 angekündigt – ob eine erneute Portugal-Krise ausgelöst wird. Stuft auch sie Portugal-Papiere auf ‚junk’ herab, hätte die EZB einen rechtlichen Vorwand, diese im Rahmen ihres Stützungsprogramms für Staatsanleihen nicht mehr zu kaufen. Portugiesische Banken dürften dann bei der EZB auch keine Anleihen ihres Staates mehr als Pfand einreichen. Kredite an Unternehmen und Verbraucher würden dann teurer, dringend notwendige Investitionen der Wirtschaft zurückgestellt.

Die Mechanismen, wie man unliebsame Regierungen unter Druck setzt, sind aus dem bisherigen Verlauf der Eurokrise bekannt. Wurden bestimmte Länder von der EU-Ebene öffentlich ‚an den Pranger gestellt’, reagierten die Finanzmärkte prompt auf solche Fingerzeige mit Kapitalflucht, miesen Ratings, Druck auf neoliberale ‚Strukturreformen’ etc. Mit Fiskalpakt, Europäischem Semester etc. ist die Überwachung durch Brüssel nochmals gestärkt worden. Auch finanzielle Sanktionen können von Brüssel damit leichter und ‚automatisch’ verhängt werden.[11]

Was Portugal angeht, hängt also vieles von den künftigen wirtschaftspolitischen Aussichten des Landes ab. Wenn sich die Konjunktur verbessern würde, könnten die sozialen Versprechen Costas vielleicht halbwegs eingelöst werden und die Tolerierung der sozialdemokratischen Minderheitsregierung durch Bloco und CDU stabil bleiben. Wenn nicht, wird die EU-Ebene die dann zu erwartenden finanziellen Probleme des Landes noch stärker als Hebel nutzen, um einen Keil zwischen Sozialdemokratie und Linksparteien zu treiben. Schon jetzt reden die Europäische Kommission und die deutsche Regierung ständig davon, dass Portugal bald unter den Euro-Rettungsschirm ESM müsse. So wurde es zuvor mit Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern ja auch gemacht. Mit einer weiteren Zuspitzung der Attacken aus Brüssel und Berlin ist zu rechnen. Welche Vorbereitungen treffen die Europäische Linke, Gewerkschaften und soziale Bewegungen, um nach dem Debakel in Griechenland dieses portugiesische Experiment zur Lockerung der Austerität zu verteidigen?

Irland

Bei den Parlamentswahlen in Irland am 26.02.2016 hat Sinn Féin nicht gesiegt, wie es die EL erhoffte.[12] In Umfragen vor der Wahl wurde die Partei mit bis zu 20 Prozent gehandelt. Sie legte zu, erzielte aber nur knapp 14 Prozent (2011: 9,9 Prozent). Sinn Féin ist damit die vierte politische Kraft nach der bislang regierenden konservativen Fine Gael (25,5 Prozent, Verlust von 11 Prozent gegenüber 2011), der ebenfalls konservativen Fianna Fáil (24,4 Prozent, Zugewinn von 7 Prozent) und den zahlreichen ‚unabhängigen’ Kandidaten (18 Prozent). Die irische Labour Party stürzte von 19 Prozent (2011) auf 6,6 Prozent ab. Das linke Bündnis Anti-Austerity Alliance/People Before Profit trat nur in ausgesuchten Wahlkreisen an. Es gewann auf dieser Basis rund 4 Prozent landesweit und 6 Mandate im Parlament, eines weniger als Labour.

Irische Kommentatoren wollten eine ‚milde sozialdemokratische Stimmung’ im Wahlvolk erkannt haben. Immerhin punktete die neoliberale Fianna Fáil diesmal mit dem Versprechen, die öffentlichen Dienste zu schützen und wieder zu stärken. Betrachtet man aber das Ergebnis der im weiteren Sinn als ‚links’ angesehenen Parteien, so kamen diese im Vergleich zur Wahl 2011 (Labour, Sinn Féin, United Left Alliance; zusammen 31,5 Prozent) in 2016 auf weniger Stimmen (Labour, Sinn Féin, AAA-PBP, Social Democrats zusammen 27,5 Prozent). Das politische System ist erschüttert, doch von einer Linkswende in Irland kann wohl keine Rede sein.

Rechnerisch reicht es für eine Große Koalition der beiden konservativen Parteien, die diese vorerst jedoch nicht wollen. Fine Gael und Fianna Fáil verhandelten jeweils separat mit unabhängigen Abgeordneten und den Grünen über die Bildung einer Minderheitsregierung. Bisher gab es drei ergebnislose Abstimmungen zur Wahl eines Regierungschefs. Ende April 2016 versuchte Fine Gael daher eine Minderheitsregierung zu bilden, die in wesentlichen haushaltspolitischen Fragen von Fianna Fáil gestützt wird. Neuwahlen in Irland sind wahrscheinlich, wenn keine belastbare Vereinbarung zwischen diesen konservativen Parteien für die nächsten 2 bis 3 Jahre möglich ist.

Spanien

Die spanischen Parlamentswahlen vom 20.12.2016 brachten in der Tat das Ende des Zweiparteiensystems. Seit der Überwindung der Franco-Diktatur 1978 hatten im Wesentlichen die Sozialdemokraten (PSOE) und die Konservativen (PP) sich an der Regierung abgelöst. Die PP des noch amtierenden Premierministers Mariano Rajoy stürzte von 44,7 Prozent bei der letzten Wahl 2011 auf 28,7 Prozent ab. Die PSOE erzielte mit 22 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis ihrer Nachkriegsgeschichte. Die neoliberale Partei Ciudadanos lag in Umfragen vor der Wahl vor Sozialisten und Podemos, erreichte aber nur 13,9 Prozent. Podemos gewann 20,6 Prozent der Stimmen, Izquierda Unida-Unidad Popular (IU) nur enttäuschende 3,7 Prozent und zwei Abgeordnete. Die spanische ‚radikale Linke’ hat somit fast ein Viertel der Wahlstimmen auf sich gezogen – ein beachtlicher Erfolg. Die Bildung einer Rechtskoalition (PP, Ciudadanos) ist mangels Masse nicht möglich und eine Mitte-Links-Konstellation hätte auch keine absolute Mehrheit.

2014 setzte sich Podemos das Ziel, stärkste Partei zu werden und mit Syriza einen Anti-Austeritätskurs in der EU stark zu machen.[13] Im Wahlkampf im Winter 2015 trat die Partei dann eher sozialdemokratisch und staatstragend auf, um Wählerinnen aus der ‚Mitte’ nicht zu verschrecken.[14] Zur von der EL angestrebten ‚Linkswende’ in Spanien reicht es jedenfalls nicht. Die PP propagiert eine Große Koalition mit der PSOE, die von Ciudadanos (C’s) vermittelt werden soll. C’s sieht dies als die beste Lösung an. Die PSOE unter ihrem Generalsekretär Pedro Sanchez lehnt dies bislang ab. So schloss Sanchez zunächst eine Vereinbarung mit der neoliberalen Ciudadanos und erwartete von PP und Podemos, diese ‚Koalition des Wandels’ wenigstens durch Enthaltung bei der Abstimmung über die Wahl des Ministerpräsidenten durchzuwinken. Zwei Anläufe von Sanchez, auf diese Weise Regierungschef zu werden, scheiterten jedoch. Nur 131 Abgeordnete stimmten dafür.

Während in Portugal Bloco und PCP auf ihre Unabhängigkeit von der sozialdemokratischen Minderheitsregierung bedacht sind, bieten die Linksparteien Podemos und IU an, direkt eine Koalitionsregierung mit PSOE und regionalen Linksbündnissen (z.B. Compromis aus Valencia) zu bilden. Es geht ihnen also um eine Mitte-Links-Koalition als Minderheitsregierung, etwa nach dem Muster der Gauche Plurielle („vielfältige Linke“) in Frankreich – ein Bündnis von PS, PCF, Grünen unter Lionel Jospin (1997-2002). Ein solches Bündnis käme im spanischen Parlament aber nur auf 161 der 350 Mandate. Um Sanchez zum Premier zu wählen, müssten Kräfte aus anderen Parteien zustimmen oder sich enthalten. Sanchez wollte aber unbedingt die neoliberale Ciudadanos mit im Boot haben. ‚Stabile Regierung’, ‚Zähmung der Linken’, kein Ärger mit Brüssel, Berlin und Frankfurt – darum geht es der PSOE.

Podemos bestand ursprünglich darauf, dass die PSOE den Pakt mit C’s aufkündigt. Dann verhandelte ihr Generalsekretär Pablo Iglesias aber dennoch mit PSOE und Ciudadanos in Drei-Parteienrunden darüber, ob eine Einigung möglich sei. C’s solle sich mit einigen Reformen zu Demokratiethemen aus der Vereinbarung mit der PSOE zufrieden geben. Podemos schwächte im Gegenzug seine Forderungen zu wirtschaftspolitischen und sozialen Themen in Richtung des Wahlprogramms der Sozialdemokraten deutlich ab (Angebot von ‚20 Zugeständnissen‘, was weiterhin aufrechterhalten wird). Podemos wäre z.B. bereit, das Haushaltsdefizit schneller und in größeren Schritten zurückzufahren, eine weniger umverteilende Steuerpolitik und geringere öffentliche Ausgaben (Reduzierung um ein Drittel gegenüber dem Podemos-Programm) anzubieten sowie bloß zur Arbeitsmarktreform von Zapatero (PSOE) von 2010 zurück zu kehren und vieles mehr. 2014 trat Podemos als ‚Bürgerbewegung’ an, um die ‚korrupte politische Kaste’ Spaniens komplett hinwegzufegen. Programmatische Anpassung an die PSOE ist mit diesen – wohl wahltaktisch gemeinten – Manövern bereits angelegt.

Die Dreiergespräche verliefen ergebnislos und wurden von Podemos abgebrochen. In einer internen Urabstimmung stimmten daraufhin gut 88 Prozent der Mitglieder von Podemos dagegen, den Pakt von PSOE und C’s zu unterstützen. Von rechts bis links konzentriert sich die politische Agitation in Spanien seither auf die Frage: Wem kann man den ‚Schwarzen Peter‘ für Neuwahlen am 26. Juni 2016 zuschieben? Die PSOE argumentiert, Podemos sei schuld, denn nunmehr drohe eine Rückkehr der Rechten. Ihr Pakt mit C’s hätte wenigstens eine sozialliberale Koalition des Wandels ermöglicht, die Podemos und PP gleichermaßen geblockt hätten. Podemos und IU argumentieren, dass dieser Pakt einen von Mehrheiten gewollten weitergehenden Politikwechsel verhindert und in Kernfragen die rechte Politik der PP-Regierung nur fortgesetzt hätte.

Podemos und IU streben eine Staatsreform an, die Spanien in eine Föderation mehrerer Nationen mit gestärkten Rechten der autonomen Regionen (z.B. Katalonien, Galicien, Valencia, Baskenland) verwandeln würde. In drei der autonomen Regionen trat Podemos mit breiten Bündnislisten an, die Grüne, IU und diverse von sozialen Bewegungen (Mareas, PAH Bewegung gegen Zwangsräumungen usw.) gestützte breite lokale Bündnislisten einschlossen. In Katalonien kam so das Bündnis En Comú Podem mit 24,7 Prozent auf den ersten Platz, in Galicien En Marea auf 25 Prozent und Compromis in Valencia auf 25,1 Prozent. Im Baskenland trat Podemos unter ‚eigener Marke’ an und wurde dort stärkste Kraft mit 26 Prozent. Die Ergebnisse in diesen Regionen verweisen auf Hoffnungen zu einer föderalistischen Neuordnung des Staates, die das Selbstbestimmungsrecht der kleineren Nationen im Spanischen Staat achtet und institutionell durch einen neuen Territorialpakt absichert.

Die konservative PP gewann bei den Dezember-Wahlen 2015 die absolute Mehrheit im spanischen Senat als zweiter Kammer des Parlaments. Ohne Zustimmung des Senats sind den Staatsaufbau betreffende Verfassungsänderungen nicht möglich. Wenn es nach Neuwahlen bei einer rechten oder anti-föderalistischen Mehrheit im Senat bleibt, wird diese solche Initiativen blockieren. Ciudadanos will den spanischen Staat sogar noch zentralistischer organisieren als die PP. Sogar die PSOE lehnt die Forderung nach einem Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens nach britischem Vorbild (Schottland-Referendum 2015) strikt ab.[15] Ein verfassungspolitischer Kernpunkt der Linksparteien Podemos und IU – die Überwindung oder wenigstens eine Reform des ‚Regimes von 1978’ – wird so kaum erreichbar sein. Dies wird den Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens vermutlich weiter zuspitzen.

Podemos und IU wollen für die Neuwahlen im Juni mit einem gemeinsamen Wahlbündnis antreten (was die diversen linken kommunalen und regionalen Bündnisse einschließen soll). Der IU-Spitzenkandidat bei der Wahl im Dezember 2015, Alberto Garzòn, trat stets für einen ‚Zusammenfluss der linken Kräfte’ (confluencia) jenseits der PSOE ein. Podemos war damals dazu in drei Regionen bereit (Katalonien, Galicien, Valencia), lehnte ein solches Bündnis mit IU auf nationaler Ebene jedoch ab. Man wird sehen, ob es diesmal gelingt und wie stark die möglicherweise geeinte Linke dabei wahlpolitisch punkten kann.[16]

Zwischenbilanz

Auch die ‚Domino-Theorie light’ von transform! und EL wird m.E. von der realen Entwicklung nicht gedeckt: die eigentlich erhoffte ‚Linkswende’ in Spanien und Irland fand so nicht statt. Die politischen Systeme dieser Länder stecken in einer tiefen Krise. Stabile parlamentarische Mehrheiten für ‚normales Regieren’ zu bilden erweist sich als schwierig. Die portugiesische Konstellation kann man zunächst als Fortschritt betrachten. Sie ist in der EU aber ziemlich isoliert und heftigen Angriffen ausgesetzt. Selbst eine Anti-Austeritätsfront der Regierungen von Spanien, Irland, Portugal und Griechenland – so es sie denn gäbe – wäre aufgrund ihres im EU-Kontext geringen Gewichts zu schwach, um auch nur bescheidene Korrekturen zu erwirken. Welche Schlussfolgerungen zieht die EL daraus?

In den reicheren EU-Ländern (von Skandinavien über Benelux bis Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland) ist ebenfalls eine starke Fragmentierung des politischen Spektrums zu verzeichnen – nur anders als im EU-‚Süden’ durch den Aufstieg von rechtspopulistischen Formationen. Das sieht ja auch transform! so, und bedauert die ‚Erosion des Zentrums’, insbesondere der Sozialdemokratie.

In einigen EU-Ländern sind sozialdemokratische Parteien nahezu in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt (z.B. Polen, Irland, Griechenland), in anderen schwer angeschlagen (z.B. Frankreich, Spanien, Deutschland). Über die Ursachen dieser Entwicklung besteht weitgehend Einigkeit. Ende der 1990er Jahre wurde die große Mehrheit der EU-Staaten von Mitte-Links-Regierungen geführt, in denen sozialdemokratische Parteien eine wichtige Rolle spielten. Statt die neoliberale Politik der Konservativen und Liberalen zu beenden, führten sie sie fort und verschärften sie oft. Die große Gelegenheit, mit dem ‚sozialen Europa’ Ernst zu machen, wurde von ihnen verspielt. Die Rechte kam zurück. Die verbliebenen Mitte-Links-Kräfte sind weiterhin auf Austerität und neoliberale Strukturreformen gepolt – siehe z.B. den Jobs-Act in Italien unter Renzi oder das geplante Loi El Khomri in Frankreich zur weiteren Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, gegen das Gewerkschaften und Jugendliche in Massen auf den Straßen protestierten.

Die Folge war und ist, dass sich jene Schichten, die im Volksmund als ‚kleine Leute’ bezeichnet werden, sich von der Mitte-Links-Politik und den sozialdemokratischen Parteien deutlich entfremdeten. Der globalisierungs- und EU-verherrlichende Diskurs der europäischen Sozialdemokratie ist in den einfachen ‚popularen’ Milieus der Gesellschaft, die vormals ein verlässlicher Teil ihrer Stammwählerschaft waren, kulturell und kommunikativ nicht mehr anschlussfähig. Formationen der ‚radikalen Linken’ wie Syriza und Podemos konnten teilweise von der Sozialdemokratie verlorenes Terrain erschließen. Sie blieben aber trotz ihrer Erfolge deutlich schwächer als PASOK und PSOE nur einige Jahre zuvor.

Die meisten anderen Parteien der europäischen Linken erreichen Wahlergebnisse ‚nur‘ bis zu 10 bis 15 Prozent. Sie wären damit, sofern sie durch Regierungsbeteiligung eine sozialere Politik durchsetzten wollten, stets in der Rolle des Juniorpartners einer weiterhin im Wesentlichen neo-liberal orientierten Sozialdemokratie. Wo sie in der Vergangenheit diesen Weg beschritten (z.B. die beiden Regierungen unter Romano Prodi in Italien, Gauche Plurielle unter Lionel Jospin in Frankreich usw.), blieb die erhoffte soziale Wende der Politik aus und die Linken verloren massiv an Unterstützung. Die Hoffnung der EL, die Sozialdemokratie durch eine erstarkende Linke wieder nach links zu drängen und im Bündnis mit ihr einen Politikwechsel einzuleiten, blieb in den meisten EU-Ländern unerfüllt. In den popularen Milieus der Gesellschaft trifft diese ambivalente Haltung der Linksparteien (‚linke Opposition’ vs. Juniorpartner einer neo-liberalen Sozialdemokratie) auf wachsende Skepsis: „Wenn es ernst wird, seid ihr ja auch so wie die anderen.“

Die Diskussion zwischen und innerhalb der EL-Parteien konzentriert sich nach dem Griechenland-Debakel zurzeit auf europapolitische Fragen (Haltung zu Euro und EU; Plan A, Plan B, Plan C). Diese sind wichtig, doch die Probleme der Linksformationen liegen m.E. tiefer. Wie lässt sich nach dem politischen und sozialen Scherbenhaufen, den Mitte-Links (und auch die Großen Koalitionen) hinterlassen haben, ein glaubwürdiges alternatives Projekt ‚im eigenen Land’ stark machen, um den immer mächtiger werdenden Diskurs des ‚Kampfes der Kulturen’ (Flüchtlingskrise, Islamophobie etc.) zu durchbrechen? Die von der Linken stets als vorrangig betonte ‚soziale Frage’ wird von den Rechtspopulisten stark thematisiert – als eine von ‚drinnen und draußen’.

Die ‚Klassenfrage’ als eine Erzählung von ‚oben und unten’ dagegen in den Vordergrund zu rücken – „die 99-Prozent gegen die 1 Prozent der Superreichen“, wie die Occupy-Bewegung skandierte – ist durchaus richtig. Allerdings: Die Lebenswirklichkeiten und Mentalitäten eines jungen Anwalts, einer Sozialarbeiterin, eines Facharbeiters im Blaumann oder einer Migrantin auf Sozialhilfebezug sind recht verschieden. Linke Parteien und Bewegungen haben vor allem das Problem, für ihre globalen politischen Botschaften die für diese unterschiedlichen sozialen Milieus jeweils verständliche Ansprache zu finden. Ermutigende Beispiele, wie das zumindest teilweise gelingen kann, waren im Frühjahr 2016 die Kampagne von Bernie Sanders zur Präsidentschaftskandidatur der Demokraten in den USA[17] und der Versuch von Jeremy Corbyn, als Vorsitzender der britischen Labour Party diese neu aufzustellen. Sie zeigen insbesondere, wie die unzufriedenen popularen Milieus der Gesellschaft wieder von links politisch erreicht werden können.[18]

Mag sein, dass Corbyn die Labour Party dahin führen kann, „Sozialdemokratie wieder zu erlernen“ (Tariq Ali). Das wäre ein Fortschritt in der derzeitigen britischen politischen Landschaft. Die europäische Linke war aber eigentlich für eine radikalere gesellschaftliche Umgestaltung angetreten, die über den Horizont (alt)sozialdemokratischer Reformpolitik hinausgreift. Dies ist bei ihr kaum noch zu erkennen. Die Rechtspopulisten werden als anti-systemische Kräfte wahrgenommen, die meisten Formationen der europäischen Linken im Zweifel aber als Stütze des Establishments. Das ist das selbst verursachte Kernproblem der europäischen Linken. „Eine ohne Tabus geführte Debatte unter Genossinnen und Genossen ist notwendig!“, schreiben die Verantwortlichen von transform!. Programmatik, Strategie, Taktik, verständliche Ansprache in unterschiedliche sozial-kulturelle Milieus hinein - das sind offenbar die Probleme der meisten europäischen Linksformationen. [19] Sofern sie noch etwas anderes als die Rückkehr zu traditioneller Sozialdemokratie und gezähmtem Kapitalismus im Sinn hätten.

[1] Gemeinsame transform! Erklärung: Einen alternativen Plan für Europa verfolgen, 08.02.2016http://www.transform-network.net/de/blog/blog-2016/news/detail/Blog/tracing-an-alternative-plan-for-europe.html

[2] Die erneut aufgebrochenen Kontroversen der griechischen Regierung mit dem IWF und partiell mit den EU-Gläubigern stellen nicht die Umsetzung des Memorandums in Frage. Die Mehrwertsteuer wird abermals erhöht, bei den Rentenkürzungen gibt es Differenzen im Detail. Im Zentrum des Streits steht die Behandlung der Schulden – im „Europäischen Stabilitätsmechanismus“, dem so genannten Euro-Rettungsschirm (ESM) wird angeblich darüber nachgedacht, dass Griechenland nur bei genügendem Wirtschaftswachstum Zahlungen leisten muss und so die Rückzahlung der Schulden weiter gestreckt werden könne. Hier will die griechische Regierung einen Deal erreichen und taktiert mit den Differenzen zwischen EU-Institutionen und IWF in dieser Frage.

[3] Siehe http://www.european-left.org/de/positions/news-archive/against-closed-borders-and-human-trade-supporting-solidarity-refugees, 21.03.2016

[4] Siehe meine Besprechung zu Andreas Wehr: „Der kurze griechische Frühling“ in diesem Heft.

[5] Zu den Hintergründen der Entwicklung in Portugal siehe Tor Krever: The Bloco tightrope, jacobin mag, 13.11.2015; https://www.jacobinmag.com/2015/11/bloco-esquerda-portugal-silva-ps-pcp-be-austerity-merkel-troika/.

[6] Für die PCP bedeutete dieser Schritt eine ‚historische Wende’: Zum ersten Mal seit der portugiesischen Nelkenrevolution von 1974 bot sie eine (kritische) Zusammenarbeit mit den Sozialisten an. Wie ihr Generalsekretär Jerónimo de Sousa erklärte, wolle die PCP alles tun, um auch nur in kleinen Schritten die Lebensumstände der lohnabhängigen Bevölkerung zu erleichtern.

[7] Bitter für die PCP. Denn bei Präsidentschaftswahlen zuvor (z.B. 2006: De Sousa für PCP 8,7 Prozent; Louçã für Bloco 5,3 Prozent) lagen die Kandidaten der PCP stets deutlich vor jenen des Bloco.

[8] António Costa mag es beruhigen, dass die innerparteiliche Opposition in der PS damit vorerst abgestraft wurde. Maria de Belem war die Kandidatin derer in der PS, die eine Allianz mit Bloco und CDU stets ablehnten und stattdessen ein Arrangement der Sozialisten mit der konservativen PSD von Passos Coelho bevorzugten.

[9] http://www.esquerda.net/en/artigo/what-will-happen-after-weekends-agreement-between-socialists-left-bloc-and-communists/39510; Zu seiner Prognose zur schwelenden Bankenkrise nicht nur in Portugal siehe auch: http://www.esquerda.net/en/artigo/banking-storm-thats-beginning-hit/41769.

[10] Im Gegenzug verpflichtete sich die portugiesische Regierung, Verbrauchssteuern auf Mineralöl und Tabak zu erhöhen, eine Neuwagen-Steuer einzuführen, die Bankenabgabe zu steigern und Finanzmarkttransaktionen stärker zu belasten – sozialdemokratisch ausgewogen ...

[11] Siehe Klaus Dräger: Europäische Wirtschaftsregierung. EU auf dem Weg zum „Deutschen Europa“?; in: Widerspruch 61, 31. Jg./2. Halbjahr 2011, S. 21-37.

[12] Zur politischen Dynamik in Irland siehe Daniel Finn: Ireland's Water Wars, New Left Review 95, September-October 2015 (https://newleftreview.org/II/95/daniel-finn-ireland-s-water-wars), und vom gleichen Autor in jacobin mag (26.2.2016) eine Analyse zu Sinn Féin (https://www.jacobinmag.com/2016/02/sinn-fein-gerry-adams-irish-republican-army/).

[13] Aufschlussreich zum Entstehen und der Strategie von Podemos ist der Artikel von Pablo Iglesias: Understanding Podemos, in: New Left Review 93, May-June 2015; https://newleftreview.org/II/93/pablo-iglesias-understanding-podemos; sowie ein Interview mit ihm in der gleichen Ausgabe; https://newleftreview.org/II/93/pablo-iglesias-spain-on-edge

[14] Die Podemos-Zentrale um Pablo Iglesias und Íñigo Errejón drückte den Parteigliederungen in den Regionen Honoratioren als Kandidaten auf, die früher wohl eher für die PSOE kandidiert hätten. So etwa den ‚roten General’ Julio Rodriguez (2008 unter Zapatero oberster Chef der Streitkräfte), der mit Platz 2 auf der Liste in Saragossa allerdings nicht ins Parlament kam. Oder Juan Antonio Delgado Ramos, ein früherer hoher Beamter der Guardia Civil, der über die Podemos Liste in Cadiz ein Mandat gewann; sowie Verfassungsrechtler, Schrifsteller, den Vorsitzenden der spanischen Grünen (Equo) auf diversen anderen Listenplätzen. Dies sollte den ‚transversalen’ Charakter von Podemos (‚die Falle von links oder rechts vermeiden’) unterstreichen, die ein breites Spektrum von den ausgegrenzten Unterschichten bis zu anerkannten Persönlichkeiten des Staatsapparats und aus anderen Bereichen zusammen binden kann. Medial war dies erfolgreich. Diese Eingriffe der Zentrale führten aber auch zu breitem Unmut an der regionalen Basis von Podemos, die sich um ihre demokratischen Rechte bezüglich der Listenaufstellung verprellt sah.

[15] Zur katalonischen Unabhängigkeit vs. föderalistische Staatsreform siehe Jaime Pastor: Catalonia vs. the Spanish State, or the failure of the federalist alternative, 29.09.2015; http://www.internationalviewpoint.org/spip.php?article4237. Zur aktuellen politischen Lage in Katalonien siehe Raul Zelik: Wird Katalonien unabhängig?; 20.01.2016; http://www.raulzelik.net/baskenland-texte/474-wird-katalonien-unabhaengig-warum-die-antikapitalistische-cup-eine-sozialliberale-regierung-tolerieren-rls-standpunkte-20-1-2015

[16] Auch wenn die linke confluencia in Spanien im Vergleich zum Ergebnis von Podemos und IU im Dezember 2015 zulegen sollte, bleibt es bei der Regierungsfrage schwierig. Als Bündnispartner kommt für diese nur die PSOE in Frage, die eine ‚konservative Sozialdemokratie‘ (Trotzki) repräsentiert. Der Eiserne Käfig der EU und wie damit umgehen ist auch hier die Bruchlinie. Anders als Bloco und PCP in Portugal wollen Podemos und IU die Konfrontation mit den EU-Institutionen vorerst vermeiden. Trotz aller Kritik an der neoliberalen Verfasstheit der EU hoffen bis weit in die linken Strömungen beider Parteien viele darauf, dass diese zu einem sozialen Europa reformiert werden kann.

[17] Was die Sanders-Kampagne machen wird, nachdem im Juni 2016 die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten entschieden ist, wird man sehen. Siehe dazu z.B. Paul Street in counterpunch (http://www.counterpunch.org/2016/04/12/ruling-class-games-and-qualifications-on-and-beyond-the-bernie-hillary-spat/) vom 12.4.2016. Läuft sie wieder so auseinander, wie Jesse Jacksons ‚Rainbow-Coalition’ in den 1980er Jahren, die damals große Hoffnungen auf das Entstehen einer progressiven Kraft in den USA geweckt hatte?

[18] Zu Corbyn siehe die m.E. sehr informativen Hintergrundanalysen von Robin Blackburn (https://www.jacobinmag.com/2015/11/from-ed-miliband-to-jeremy-corbyn/) vom 12.11.2015, von Tariq Ali (http://www.lrb.co.uk/v38/n05/tariq-ali/corbyns-progress) vom 3.3.2016

[19] Siehe dazu meinen Beitrag in Z 97 (März 2014), S. 126ff.